Die Geschichte der Schmalspurbahn Herrnhut - Bernstadt (OL)

Anlässlich der ,,40-Jahr-Feier der Linie Ht - Bst" - so notierte der Bildautor auf der Rückseite seines Fotos -entstand diese Aufnahme mit der Lokomotive 99 555 und einigen Eisenbahnern auf dem Bahnhof Bernstadt (Oberlausitz) im Herbst 1933

 

Die nur 10,10 Kilometer lange Schmalspur- strecke im Ostlausitzer Hügelland existiert seit Ende 1945 nicht mehr, dennoch geriet sie nicht in Vergessenheit. In mehreren Schriften wird sie erwähnt. Spektakuläre Ereignisse fanden auf dieser 750-mm-spurigen Stichbahn nicht statt, Veränderungen gab es kaum, die Strecke blieb so wie sie gebaut worden war. Der durch die sowjetische Besatzungsmacht angeordnete Abbruch bewegt die Gemüter bis heute. Dabei ist nur das vorweg genommen worden, was vielleicht schon fünf oder zehn Jahre später eingetreten wäre. Um Oberbaustoffe für wichtigere Strecken zu gewinnen oder wegen der Unwirtschaftlichkeit hätte diese Bahn bestimmt keine Überlebenschance gehabt.

 

 

 

 

 

In dem 1895 herausgegebenen Buch "Die schmalspurigen Staatseisenbahnen im Königreiche Sachsen" hielten Oberfinanzrat Ledig und Rechnungs- rat Ulbricht aus Dresden fest: "Sowohl die Königliche Staatsregierung als auch die Landstände erkannten die Notwendigkeit der Herstellung einer Verbindung der Stadt Bernstadt mit dem bestehenden Bahnnetz ..." Der Anschluss dieser Kleinstadt stand schon lange zur Diskussion, die Regierung schien von der Wirtschaftlichkeit der Eisenbahnverbindung wenig über- zeugt, zumal nicht gleich entschieden war, an welcher Stelle die neue Strecke an eine bestehende angeschlossen werden sollte.

 

 

 

Bernstadt war anfangs Sitz des Bahnverwalters, der zu jeder Schmalspurstrecke in Sachsen gehörte. Der große Mann soll der Bahnverwalter Tannert sein. Vor der I K - Lokmotive 14 scheint sich ein Hund am aus dem Zylinder entweichenden Dampf zu erfreuen. Das Foto stammt aus dem Jahre 1900

 
 

Heftige Diskussionen über die Projekte

In Rede war Löbau, wo von einem 3,4 Kilometer entfernten Punkt an der Strecke nach Görlitz eine Normalspurstrecke nach Bernstadt abzweigen könnte. Die Baukosten wären nicht unerheblich gewesen, es fehlten Zwischenstationen mit Frachtaufkommen. Die Regierung stand unter dem Druck des Landtags, der auf eine Anbindung Bernstadts bestand. Der Ab- geordnete May sprach 1887 in der 11. Kammer den Unmut aus: Haben "beide Kammern die Linie Bernstadt -Herrnhut -Nikrisch mit Wohlwollen behandelt, läßt allerdings der Vermutung Raum, daß die Regierung diesem Projekt nicht ganz freundlich gegenübersteht." Auf Einwände wegen zu hoher Kosten reagierte der Abgeordnete: "Die Zunahme des Volkswohlstandes und der Steuerkraft wird nicht bei der Bahnrente berechnet." Übrigens handelt es sich dabei um eine Erkenntnis, die noch heute gilt!

Bei den Stationsbezeichnungen dürfte sich der Abgeordnete geirrt haben, denn die genannte Reihenfolge ist falsch, sie müsste Nikrisch -Bernstadt-Herrnhut lauten. Aufschlussreich erscheint jedoch, dass nicht nur von Bernstadt gesprochen wurde, sondern von einer Querverbindung zu der bestehenden Eisenbahnstrecke Görlitz-Zittau [siehe Görlitz-Hirschfelde-Zittau in diesem Sammelwerk] und Löbau -Zittau. Nikrisch heißt heute Hagenwerder. Jedenfalls ging, nachdem die Regierung ihre Bedenken gegen die Eisenbahnlinie nach Bernstadt aufgegeben und eine Lösung gefunden hatte, alles recht schnell. Sie sah die Anbindung in Herrnhut, einer Station der 1848 eröffneten Normalspurbahn Löbau (Sachs) - Oberoderwitz (- Zittau) [siehe in diesem Sammelwerk] vor, damit wurden Orte mit Fabrikanlagen berührt und die Strecke kürzer. Schmalspur wurde geplant, weil so die Baukosten niedriger ausfallen würden oder, wie Ledig/Ulbricht schrieben, da " ...die minder kostspielige Linie von Herrnhut nach Bernstadt vollständig im Stande sein werde, das hier vorhandene wenig umfängliche Verkehrsbedürfnis zu befriedigen, entschied man sich für die schmalspurige Bahn, welche nach den örtlichen Verhältnissen nicht von Löbau, sondern von Herrnhut auszugehen hatte."

Mit dieser Stichbahn wollten sich Bernstädter Interessenten nicht zufrieden geben. Sie sandten im Dezember 1891 an das Dresdner Ministerium für Finanzen eine Petition zur Weiterführung der Schmalspurbahn von Bernstadt über Schönau, Kiesdorf, Dittersbach, Burkersdorf, Schlegel, Hirschfelde und Türchau nach Reichenau. Durch diese Verbindung sollte der Kohletransport aus dem Hirschfelder Kohlerevier erleichtert werden.

Umgehend angestellte Verkehrserhebungen des Finanzministerium fielen unbefriedigend aus, sodass dieser Vorschlag abgelehnt wurde.

Genehmigt, gebaut und eröffnet

Die sächsische Verordnung zum Bau und Betrieb der Schmalspurbahn datiert vom 30. August 1892. Der Streckenbau begann im September 1892. An Kunstbauten waren drei Brücken zu errichten, die größte in Cunnersdorf. Verlegt wurden für die 10,10 Kilometer lange Strecke insgesamt 12.636 Meter Gleis und 33 Weichen.

Die Betriebsstellen gestaltete man recht einfach und rüstete sie mit nachstehenden Hochbauten aus:

Niederstrahwalde  - eine Wartehalle;

Berthelsdorf - eine Wartehalle mit Gepäckraum und ein Freiabtritt nebst Geräteraum sowie ein Wagenkasten als Güterschuppen;

Oberrennersdorf eine Wartehalle mit Gepäckraum und ein Freiabtritt miit Geräteraum sowie einen Wagenkasten als Güterschuppen;

Niederrennersdorf - eine Wartehalle und ein Freiabtritt mit Geräteraum;

Cunnersdorf - eine Wartehalle mit Gepäckraum und ein Freiabtritt mit Geräteraum sowie ein Wagenkasten als Güterschuppen;

Bemstadt - ein Stationsgebäude, einen Güterschuppen, ein Wirtschaftsgebäude, ein zweiständiges Maschinenhaus mit angebauter Wasserstation und einen Kohlenschuppen.

Der Bahnhof Bernstadt bestand aus sieben Gleisen mit 14 Weichen, 1909 kamen noch zwei Weichen und eine Kreuzung hinzu. 1922 ergänzte ein Bernstädter Handwerker das dortige Empfangsgebäude im Auftrage der Staatsbahn mit einem kleinen Vorbau.

Bekanntmachung vom 28. November 1893 im Sächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt. Drei Tage später wurde die "schmalspurige Nebeneisenbahn" für den öffentlichen Reise- und Güterverkehr eröffnet

Auf dem Bahnhof Herrnhut mussten lediglich der Güterschuppen vergrößert, ein Ladeplatz eingerichtet und der Bahnsteig gebaut werden. Nur für die Schmalspur erhielt der Bahnhof den Bahnsteig, ein Maschinenhaus, einen Kohlenschuppen, ein Wasserstationsgebäude, eine Gleisbrückenwaage, die Umladehalle mit Rampe und außerdem die Überladerampe für die Betriebsmittel. Das Gleisbild war zu verändern mit 940 Meter Gleis, drei einfachen und zwei Kreuzungsweichen in Normalspur und 1.170 Meter Schmalspurgleis und sieben schmalspurigen Weichen. Wagenladungen sollten sämtlich umgeladen werden, an einen Rollfahrzeugbetrieb war nicht gedacht. Das Gütergeschäft auf den Unterwegsbahnhöfen besorgten gegen ein geringes Salär Güteragenten, die sonst anderen Tätigkeiten nachgingen.

Am 30. November 1893 wurde die Strecke mit einem Sonderzug, den die zwei stationierten Lokomotiven zogen, feierlich eröffnet. In Bernstadt begrüßte der Bürgermeister sowohl die Herren der General- und Betriebsdirektion als auch jene vom Finanzministerium und der Behörden und dankte der Regierung für die Bahn, schloss in den Dank die Bauarbeiter mit ein. In Bernstadt feierte man allerorten. Die kostenfreie Rückfahrt nach Herrnhut wurde von den Einheimischen weitgehend genutzt.

Nach dem Eröffnungstag ging die Strecke am 1. Dezember 1893 offiziell in Betrieb. Außer den Lokomotiven standen fünf Personenwagen, davon ein vierachsiger, sechs gedeckte (dazu gehörten damals auch die für Fahrkartenverkauf und Gepäckbeförderung vorgesehenen Zugführerwagen) und14 offene Güterwagen bereit. Die Baukosten für die Bahnanlage ein- schließlich Verwaltungsaufwand und Verzinsung während der Bauarbeiten betrugen knapp 788.000 Mark, dabei belegte der Oberbau mit 251.000 Mark die höchste Position. Zum Vergleich: eine Lokomotive der Gattung I K kostete seinerzeit zwischen 15.000 und 20.000 Mark.

Mäßiges Verkehrsaufkommen

Im Jahre 1894 beförderte diese Schmalspurbahn 46.328 Personen (im Durchschnitt 127 pro Tag). An Frachten fielen hauptsächlich Braunkohlen, Baumwolle, Getreide, Twiste, Zuckerrüben, Baumwoll- und Papierabfalle an. In Bernstadt hatte sich die Tuchmacherei angesiedelt. Zwei Betriebe produzierten bis zur Währungsunion 1990 Grobgarne, Grobtextilien und technische Gewebe. Die ansässige Textilindustrie wusste die Bahn von Anfang an zu nutzen, es gab jedoch nur einen Gleisanschluss. Er zweigte im Kilometer 3,1 zur Mechanischen Weberei Paul ab und wurde mit einem Übergabezug von Herrnhut aus bedient. Dieser dampfte vom Anschlussgleis aus weiter bis Berthelsdorf (b Herrnhut) und kam von dort nach Herrnhut zurück. Unternehmer richteten zwei Güterschuppen am Bahnhof Bernstadt in Nähe der Ladestraße ein. Im Jahre 1894 wurden dort 5.627 Tonnen Güter empfangen und 2.159 Tonnen aufgegeben. Der große Unter- schied hängt sicherlich mit dem Kohlenbezug zusammen. Scheinbar Banales hatte die Generaldirektion bald nach der Streckeninbetriebnahme zu regeln. Hauptsächlich Düngemittel wurden fehlgeleitet, kamen nicht im sächsischen Bernstadt, sondern im schlesischen an, wo es einen Bahnhof gleichen Namens gab. Der Bahnverwalter schlug der Generaldirektion die Bezeichnung "Bernstadt (Sachs)" oder "Bernstadt bei Herrnhut" vor. Am 15. Mai 1894 beschied die Betriebs-Oberinspektion in Dresden, dass gegen die Bezeichnung "Bernstadt (Oberlausitz)" keine Bedenken bestehen. Die Tarifunterlagen enthielten jedoch zunächst den Zusatz "i. Oberlausitz".

Die Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen ermittelten im Sommer 1902 in einem Voranschlag die Kosten für den Bau einer Rollbockgrube auf dem Bahnhof Herrnhut. Sie beliefen sich auf 5.200 Mark, ohne jedoch die Folgeinvestitionen für die Verstärkung des Oberbaus und den Einsatz leistungsfähigerer Lokomotiven zu berücksichtigen. Angesichts des geringen Wagenladungsaufkommens -1901 wurden auf der Strecke Herrnhut - Bernstadt nur 11.400 Tonnen Güter abgefertigt -nahm man von dem Bau dieser Anlage Abstand. Und so wurden die schmalspurigen Güterwagen weiterhin überwiegend in die Güterzüge mit Personenbeförderung (Gmp) eingestellt, für die der Buchfahrplan die Zuglast auf 150 Tonnen bei Talfahrt, bei der Bergfahrt von Rennersdorf nach Herrnhut auf 75 Tonnen beschränkte. Gelegentlich rollten auch reine Nahgüterzüge mit kurzen Halten auf den Unterwegsstationen Stets verkehrten auf der Gesamtstrecke täg- lich drei Zugpaare, von denen werktags zwei als Gmp ausgewiesen waren. Hinzu kam zwischen etwa 1925 und 1940 sonn- und feiertags ein weiteres Personenzugpaar.

 

                  

Stammlokomotive 99 555 vor einem gemischten Zug um 1935. In der Mitte des Wasserkastens, auf der Abdeck- platte für das Kesselspeiseventil, ist das Fabrikschild der 1908 in Chemnitz gebauten Maschine befestigt

Den Betrieb einer Schmalspurbahn leitete ein Bahnverwalter. So auch im Fall Herrnhut - Bernstadt. Er hatte zuerst seinen Sitz im Bahnhofsgebäude von Bernstadt, wechselte jedoch 1905 nach Herrnhut. 1911 ist die Stelle abgeschafft und deren Aufgabe dem Bahnhof Herrnhut übertragen worden. Bernstadt war Heimatbahnhof für das Zug- und Lokomotivpersonal. Es wird im Dienst recht beschaulich zugegangen sein. Erst 1938 wurde der Bahnhof Bernstadt (Oberlausitz) wieder selbstständige Dienststelle. Das Verkehrsaufkommen hielt sich in Grenzen und mehr als 50.000 Fahrgäste und 25.000 Tonnen Fracht pro Jahr wurden auf der Stichbahn nur selten erreicht. Mag die Bedeutung der Strecke Herrnhut - Bernstadt im Vergleich zu anderen sächsischen Strecken nicht groß gewesen sein, bescherte sie der Generaldirektion nur wenig Aufwand, denn es kam, nicht wie bei manch anderer Schmalspurlinie, nur zu wenigen Veränderungen.

  

Die Damen interessieren sich mehr für den Fotografen als für den Zug, der am 15. September 1935 mit einer Lokomotive der Baureihe 995166 Richtung Herrnhut fährt

Ein Personenzug auf der Fahrt nach Herrnhut am 1. September 1935 in Rennersdorf, einem beschaulichen Straßendorf. leider ist die Betriebsnummer der IV K-Lokomotive nicht zu erkennen

Nur wenig verändert

 

Schon vier Jahre nach Inbetriebnahme der Schmalspurbahn waren Ausbesserungsarbeiten wegen Unwetterschäden notwendig. Darüber wurde im "Statistischen Bericht über die den Betrieb der unter Königlich Sächsischer Staatverwaltung stehenden Staats- und Privatbahnen", erschienen 1898, festgehalten: ,Jnfolge Hochwassers im Tale der Pließnitz- und des Petersbaches war an verschiedenen Stellen der Linie Herrnhut -Bernstadt die Herstellung von neuen Ufermauern sowie Ufer- und Böschungsbefestigungen erforderlich. Der Verkehr war nur am 30. Juli (1897, Anm.) unterbrochen." Knapp 30 Jahre später folgten nachträgliche Anbauten am Lokomotiv- schuppen in Bernstadt. 1923 wurde im Bahnhof Herrnhut die Weiche 15 deshalb verschoben, weil damit das Umladegleis verlängert werden konnte. Die anfangs gebaute Anlage war zu klein bemessen. Auch für die in Herrnhut geführten Kassengeschäfte, die die Schmalspurstrecke betrafen, musste 1923 ein Kassenverwalter beschäftigt werden. Zuvor war das eine der Aufgabe des Bahnhofsvorstehers. Der Bahnhof Bernstadt (Oberlausitz) wurde stoßweise beansprucht, in Herrnhut fehlte es an Umladepersonal, das wurde in einem Schreiben an die Generaldirektion 1925 beklagt und nochmals der Einsatz von Rollböcken vorgeschlagen. Deren Einführung unterblieb vermutlich wegen zu hoher Kosten. Bereits 1924 schloss die Reichsbahn den Haltepunkt Niederstrahwalde, da er kaum genutzt worden war.

Vom Zweiten Weltkrieg blieb das Gebiet weitgehend verschont, wenn man vom allgemeinen Kriegsleid, das die Bevölkerung betraf, absieht. 1945 vernichtete in Herrnhut ein Großfeuer historische Gebäude. Nach Kriegsende ließen sich hier gut Betteltouren für Kartoffeln, Mehl oder anderes unter- nehmen, und da konnte die seit Ende Mai 1945 mit drei Zugpaaren wieder verkehrende Schmalspurbahn nur nützlich sein.

 

Kurzfristig stillgelegt und demontiert

Die Bevölkerung traf es sehr, als die sowjetische Besatzungsmacht den Abbau der Schmalspurbahn Herrnhut - Bernstadt (Oberlausitz) als Reparationsgut befahl. Nach den Aufzeichnungen des Bahnhofsvorstehers in Bernstadt wurde die Strecke bis Kunnersdorf a. d. Eigen vom I. bis 16. Oktober 1945 abgebrochen. In erhalten gebliebenen Bahnfernschreiben und Telegrammen der Reichsbahndirektion Dresden an die Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahn in Berlin wird jedoch über den Demonntagebeginn am 22. September 1945 berichtet. Wie dem auch sei: Proteste der Bevölkerung nützten nichts. Vom 11. November bis 15. Dezember 1945 ging der Abbau weiter. Abtransportiert wurden Weichen, Schienen, Kleineisen- teile und die Lokomotive 99 558. Schwellen gehörten nicht zum Reparationsgut. Ebenso blieben die Hochbauten stehen, manche sind heute noch zu sehen, beispielsweise die Wartehäuschen von Niederstrahwalde und Oberrennersdorf und das Empfangsgebäude aus Backstein vom Bahnhof Bernstadt (Oberlausitz). Mitunter blieben ein Stück vom Bahndamm und ein Brückenwiderlager als Zeugen der Vergangenheit erhalten.

Ironie der Geschichte: In einer Schreiben vom 6. November 1945 genehmigte die Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahn in Berlin der Reichsbahndirektion Dresden den Wiederaufbau dieser Strecke und der Verbindung Taubenheim - Dürrhennersdorf, allerdings nicht mit den im Abbau befindlichen Oberbaustoffen, sondern "unter Nutzung von Reserve- material", das in jener Zeit nicht zu beschaffen war bzw. de facto gar nicht existierte. Bleibt noch zu erwähnen, dass in der "Nur für den Dienstgebrauch (Nm)" erschienenen "Übersichtskarte des Reichsbahndirektionsbezirks Dresden" vom August 1967(!) die Stichbahn Herrnhut - Bernstadt (Oberlausitz) noch eingezeichnet ist, allerdings mit dem Zusatz "Bahnkörper ohne Gleis" -und dies zu einem Zeitpunkt, als in der DDR das großen "Schmalspurbahn-Sterben" längst begonnen hatte!

 

Der Winterfahrplan 1937/38 im Kursbuch der Deutschen Reichsbahn. Die Personenzüge führen die 2. und 3. Wagenklasse und in Herrn- hut bestanden immer Anschlüsse nach Löbau (Sachs) und Zittau

Der Fahrzeugpark

 

Wie bei anderen sächsischen Schmalspurbahnen fuhren anfangs Lokomotiven der Gattung I K die Züge, als Stammlokomotive die Nr. 15 (1893 -1896) und als Reservelokomotive die Nr. 22 (1893 -1900). Beide zogen den Eröffnungszug. Kurzzeitig kamen nach Bernstadt die Maschinen Nr. 17 (1900 -1926 im Wechsel mit den Zittauer Strecken und mit der Taubenheimer) und 21 (um 1900). Die Lokomotive 23 war in den ersten Jahren sowie von 1921 bis 1924, die mit der Nr. 14 von 1896 bis 1925 in Bernstadt (Oberlausitz) stationiert. Als die DR-Baureihe 9gs1.'" (ex sä. Gattung IV K) die I K-Lokomotiven ersetzte, mussten auf den betreffenden Schmalspurbahnen der Oberbau verstärkt und die Lokomotivschuppen verlängert werden. Das geschah auch in Bernstadt (Oberlausitz). Das dortige Heizhaus entsprach dem in Taubenheim [siehe Taubenheim - Dürrhennersdorf diesem Samme/werk]. Meist waren im abwechselnd den Bahnbetriebswerken Löbau und Zittau unterstellten Lokbahnhof Bernstadt zwei Lokomotiven stationiert, wobei eine Maschine die täglichen Leistungen übernahm und die andere als Reserve diente. Letztere zog die Reichsbahndirektion Dresden während des Zweiten Weltkriegs ab. Wurde nun die einzige betriebsfähige Maschine schadhaft, fuhr man unverzüglich eine unter Dampf stehen- de Lok vom Bw Zittau auf einem normalspurigen Transportwagen nach Herrnhut, sodass kaum Züge auszufallen brauchten.Auf der Strecke Herrnhut - Bernstadt (Oberlausitz) traf 1926 zuerst die Lokomotive 99 555 als Stammmaschine ein. Aushilfe leisteten die Lokomotiven 99 525, 99 531, 99 546, 99 554, 99 558 und 99 595. Zuletzt stand die Lokomotive 99 525 im Reichsbal1nausbesserungswerk Chemnitz und blieb dadurch von der Reparationsabgabe verschont. Der sowjetischen Besatzungsmacht fiel hier nur die Lokomotive 99 558 in die Hände.1m Jahre 1935 hielt der Reichsbahndirektion Dresden auf der Strecke Herrnhut - Bernstadt (Oberlausitz) fünf Personen-, zwei Gepäck-, 59 Güterwagen der Gattungen GGw, Ow, OOw, 00, Hw, HH und KKw vor. Zwischen 1941 und 1944 mussten aus dem diesen Bestand sechs GGw und fünf OOw für den Osteinsatz abgegeben werden. Die Züge fuhren immer mit der Heberleinbremse, die Personenwagen zuletzt mit Gasbeleuchtung.

Ausgangspunkt Herrnhut

 

 Die abwechslungsreiche Landschaft mit Tälern und niedrigen Bergkuppen aus Granit und Basalt (Knorr- berg 381 Meter über NN), stark von der Landwirtschaft geprägt. Vereinzelt existierten in Dörfern und der Kleinstadt Bernstadt Fabriken der Textilindustrie, so dass die Schmalspurbahn auch dem Berufsverkehr diente. Bereits in den 1920er Jahren nahm privater Autobusverkehr der Eisenbahn einen Teil des Personenverkehrs ab, deshalb genügten meist zwei Personenwagen im Zug, zumal Bernstadt es nicht verstand, den Ausflugsverkehr an sich zu ziehen. Schließlich dominierte stets der Güterverkehr.

 

Blick auf den Normalspurbahnhof Herrnhut vor dem Ersten Weltkrieg. Hinter dem Empfangsgebäude begannen die Gleise 1 und 2 der Schmalspurbahn nach Bernstadt (Oberlausitz)

 

 Herrnhut ist eine Gründung im 18. Jahrhundert, als Graf von Zinzendorf böhmische Exulanten hier ansiedeln ließ. Sie gehörten religiös zu Augsburg, bildeten aber bald eine eigenständige Religionsgemeinschaft, die Herrnhuter Brüdergemeinde. Sie wurde in aller Welt missionarisch tätig. Das Völkerkundemuseum in Herrnhut stellt die Mitbringsel aus, die die Missionare nach Hause zu ihrer Brüderunität mitbrachten. Diese hat noch heute ihre große Bedeutung, indem beispielsweise jährlich die Losungen hier gezogen werden. Das 1929 zur Stadt erhobene Herrnhut ist zwar weltweit bekannt, für die Eisenbahn aber kein Grund, über Herrnhut Zugverkehr bestehen zu lassen.

 

 

 Auf dem Bahnhofsvorplatz des seit 1998 stillgelegten Bahnhofs Herrnhut begann die Schmalspurbahn [Lageplan des Bahnhofs Herrnhut siehe auf Seite 6 der Streckenbeschreibung Löbau (Sachs) -Oberoderwitz]. Er liegt nicht auf Herrnhuter Flur, sondern bereits auf der von Berthelsdorf. In Ausfahrrichtung am Ende der zwei Bahnsteiggleise stand ein einständiger Lokomotivschuppen. Das war üblich, wenn die Lokomotiven am Ende der Strecke stationiert wurden [siehe Cranzahl- Kurort Oberwiesenthai in diesem Sammelwerk], so konnte die Lokomotive für die Frühzüge untergestellt werden.

 

                   

 

 

Zunächst verlief das Schmalspurgleis neben dem der Normalspur in Löbauer Richtung, schwenkte danach nach rechts in östlicher Richtung ab, wo ein unbeschrankter Bahnübergang über die Straße Löbau - Zittau folgte. Hier befand sich mit 346,64 Meter über NN der höchste Punkt der Bahn (Bahnhof Herrnhut: 344,94 Meter über NN). Danach lag das Streckengleis fast immer im Gefalle, abgesehen von der Waagerechten in den Bereichen der Betriebsstellen. Die Strecke berührte das Dorf Strahwalde mit einem Damm und erreichte den Haltepunkt Niederstrahwalde, dessen Bedeutung so gering war, dass er 1924 aufgegeben wurde. Mit einer Krümmung näherte sich die Strecke Berthelsdorf an, befand sich also wieder in der Gemeinde des Ausgangsbahnhofs. Ein niedriger Einschnitt führte zu Rohlands Teich. In Berthelsdorf zweigte der einzige Streckenanschluss (Mechanische Weberei) ab. Oberhalb des Ortes und unterhalb des Schlosses lag das Gelände des kleinen Bahnhofs.

 

Wie bei allen Unterwegsstationen blieb es auch in Berthelsdorf (b Herrnhut) bei der einfachen Anlage: Am Bahnsteig das durchgehende Hauptgleis und links das Ladegleis, an dem der Wagenkasten für das Stückgut stand. Anfang der 1 930er Jahre wartet die Lokomotive 99 555 mit ihrem gemischten Zug auf die Weiterfahrt nach Herrnhut

 

Mit einem Bogen in südöstlicher Richtung wurde Rennersdorf erreicht. Die Strecke verlief nun dicht an der Ortsstraße entlang und überquerte sie und den Petersbach. Der lang gestreckte Ort besaß zwei Betriebsstellen, zuerst fuhren die Züge in den Bahnhof Rennersdorf (Oberlausitz) ein, und danach neben der Straße und über eine Wiesenfläche. Der Haltepunkt Rennersdorf (Oberlausitz) lag am Ortsende. Erneut querte die Strecke Wiesenflächen mit Links- und Rechtsbögen, folgte dem Pließnitzbach und kreuzte die Straße. Am Ortseingang von Kunnersdorf (a. d. Eigen) wurde die gleichnamige Haltestelle erreicht mit einem Ladegleis, das nur einseitig, mit einer Weiche vom Streckengleis abzweigte. Die Bahn berührte mit dieser Station und Bernstadt (Oberlausitz) den so genannten Eigenschen Kreis. Der bis heute noch verwendete Zusatz "a. d. Eigen" verweist darauf, dass Kunnersdorf und Bernstadt und die umliegenden Orte "auf dem Eigen" lagen.

Blick auf das Gelände der Haltestelle Kunnersdorf a. d. Eigen um 1930. Außer dem Streckengleis existierten hier ein an das durch- gehende Hauptgleis angebundenes Ladegleis und ein Stumpfgleis. Ein vierachsiger gedeckter Güterwagen wurde zum Frachtumschlag bereit gestellt. Dahinter sind der Freiabtritt (Toilette) und rechts, vom Haus teilweise verdeckt, die Wartehalle zu sehen

 

Das Gebiet um Bernstadt war Eigentum des Bistums Meißen, wurde Mitte des 13. Jahrhunderts an die Herren von Schönburg-Glauchau veräußert, und die verkauften die Güter nach und nach an das Kloster St. Marienstern. Um die bisherige Steuerbefreiung der Bürger gegenüber dem Landesherrn beizubehalten, hoben die Verkäufer in den Urkunden hervor, dass das Land "ihr Eigen" gewesen sei. Die Redewendung blieb bis heute erhalten.

An einem Hang oberhalb des Orts und der Pließnitz erreichten die Schmalspurzüge den schönsten Abschnitt der Strecke, das größte Brückenbauwerk der Bahn mit zwei Stützpfeilern wurde befahren, dann war bereits Bernstadt (Oberlausitz) erreicht. Hinter der Straße von Großhennersdorf lag die Endstation (234,49 Meter über NN).

 

Das aus Backsteinen errichtete Empfangsgebäude des Bahnhofs Bernstadt in voller Schönheit. Eine Lokomotive der Gattung I K wartet mit ihrem gemischten Zug um 1910 auf die Abfahrt Richtung Herrnhut

Bernstadt a. d. Eigen galt als Industrie-Agrar-Kleinstadt. Die Landwirtschaft blieb nach 1990 durch Wiedereinrichter erhalten. Aus der Baumwollspinnerei wurde ein Zulieferbetrieb für eine bekannte Sandalenfirma. Das Dorf Kunnersdorf a. d. E. ist jetzt Ortsteil von Bernstadt. Als Kuriosität gilt die Weltachse in Bernstadt. Angeblich ist sie der Mittelpunkt der Erdrotation, in Wirklichkeit das Ergebnis eines Studentenulks. In den 1930er Jahren bezeichneten die Studenten betrunken auf dem Markt einen Kandelabermasten als Erdachse. Das sprach sich herum und so entstand ein Denkmal für die Erdachse auf dem Bernstädter Markt.

Die Baulänge der Strecke belief sich auf 10,23 Kilometer. Davon lagen 6,24 Kilometer in gerader Linie und 3,99 Kilometer in der Krümmung (39 Prozent),6,81 Kilometer im Gefälle (66,57 Prozent) und 0,50 Kilometer in der Steigung (4,89 Prozent). Der kleinste Krümmungshalbmesser betrug 100 Meter, die stärkste Neigung auf nur 500 Meter 1 :40.

Vor dem Ersten Weltkrieg ist dieses Foto in Bernstadt entstanden. Vor der I K- Lokomotive mit dem abfahrbereiten Zug Richtung Herrnhut haben sich Eisenbahner mit ihren Familien aufgestellt

 

Auf dem Plan vom Bahnhof Bernstadt (Oberlausitz) im Zustand von 1930 sind unter anderem die Lage des Empfangsgebäudes (A), des Wirt- schaftsgebäudes (B), des Güterschuppens (C), des Lokomotivschuppens (0) sowie des Privatschuppens am Gleis 7 zu erkennen

Im Jahre 1922 erhielt das Empfangsgebäude in Bernstadt (Oberlausitz) den im Vordergrund zu sehen- den Holzanbau. Im Hintergrund steht der Lokomotivschuppen, davor warten auf dem Abstellgleis Reisezug- und Güterwagen auf den nächsten Einsatz. Die vor dem Zug stehende Lokomotive der ehemals sächsischen Gattung I K wird auf der Strecke nicht mehr lange fahren

Vor dem Maschinenhaus in Bernstadt (Oberlausitz) steht links die Lokomotive 14, die auf der Strecke nach Herrnhut von 1896 bis 1924 fuhr. Daneben befindet sich die "leicht rauchende" Lokomotive 15

 

Weiter sei gesagt, daß sich auch die Literatur unserer Kleinbahn angenommen hat, und in einigen Büchern weiteres Informationsmaterial zu finden ist. Besonders empfehle ich hier:

Schmalspur-Album Sachsen Band III  K.Sächs.Sts.E.B. 1881-1920          ( ISBN 3-89610-117-X )

Frühere sächsische Schmalspurbahnen nördlich der Elbe   Matthias Hengst     ( ISBN 3-922138-56-X )

 und noch aus DDR Zeit     Schmalspurbahnen der Oberlausitz   Reiner Preuß/Erich Preuß

Alle Besucher dieser Seite, welche sich besonders für die historischen Filmaufnahmen interessieren, möchte ich an den den Museumsverein des Heimatmuseums Bernstadt und des Eigenschen Kreises verweisen. Der Film "Warum in die Ferne schweifen, seht das Gute liegt so nah..." aus dem Jahre 1928 von Gottfried Schüller (Kunnersdorf), aus welchem die Ausschnitte stammen, ist im Besitz des Vereins und wird auch ab einer gewissen Zahl von Interessenten vorgeführt. Es handelt sich bei diesem Film um eine Reise vom Kottmar bis zur Neiße, entlang der Pließnitz.

 

Die Bahn im Haltepunkt Niederstrahwalde

Ich hoffe, mit diesen Informationen weiter geholfen zu haben....

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Das Viadukt in Kunnersdorf