Die Geschichte der
Schmalspurbahn Herrnhut - Bernstadt (OL)
Anlässlich der ,,40-Jahr-Feier der Linie Ht -
Bst" - so notierte der Bildautor auf der Rückseite seines
Fotos -entstand diese Aufnahme mit der Lokomotive 99 555 und
einigen Eisenbahnern auf dem Bahnhof Bernstadt (Oberlausitz)
im Herbst 1933
Die nur 10,10
Kilometer lange Schmalspur- strecke im Ostlausitzer
Hügelland existiert seit Ende 1945 nicht mehr, dennoch
geriet sie nicht in Vergessenheit. In mehreren Schriften
wird sie erwähnt. Spektakuläre Ereignisse fanden auf dieser
750-mm-spurigen Stichbahn nicht statt, Veränderungen gab es
kaum, die Strecke blieb so wie sie gebaut worden war. Der
durch die sowjetische Besatzungsmacht angeordnete Abbruch
bewegt die Gemüter bis heute. Dabei ist nur das vorweg
genommen worden, was vielleicht schon fünf oder zehn Jahre
später eingetreten wäre. Um Oberbaustoffe für wichtigere
Strecken zu gewinnen oder wegen der Unwirtschaftlichkeit
hätte diese Bahn bestimmt keine Überlebenschance gehabt.
In dem 1895
herausgegebenen Buch "Die schmalspurigen Staatseisenbahnen
im Königreiche Sachsen" hielten Oberfinanzrat Ledig und
Rechnungs- rat Ulbricht aus Dresden fest: "Sowohl die
Königliche Staatsregierung als auch die Landstände erkannten
die Notwendigkeit der Herstellung einer Verbindung der Stadt
Bernstadt mit dem bestehenden Bahnnetz ..." Der
Anschluss dieser Kleinstadt stand schon lange zur
Diskussion, die Regierung schien von der Wirtschaftlichkeit
der Eisenbahnverbindung wenig über- zeugt, zumal nicht
gleich entschieden war, an welcher Stelle die neue Strecke
an eine bestehende angeschlossen werden sollte.
Bernstadt war anfangs Sitz des
Bahnverwalters, der zu jeder Schmalspurstrecke in
Sachsen gehörte. Der große Mann soll der Bahnverwalter
Tannert sein. Vor der I K - Lokmotive 14 scheint sich
ein Hund am aus dem Zylinder entweichenden Dampf zu
erfreuen. Das Foto stammt aus dem Jahre 1900
Heftige Diskussionen über
die Projekte
In Rede war
Löbau, wo von einem 3,4 Kilometer entfernten Punkt an
der Strecke nach Görlitz eine Normalspurstrecke nach
Bernstadt abzweigen könnte. Die Baukosten wären nicht
unerheblich gewesen, es fehlten Zwischenstationen mit
Frachtaufkommen. Die Regierung stand unter dem Druck des
Landtags, der auf eine Anbindung Bernstadts bestand. Der
Ab- geordnete May sprach 1887 in der 11. Kammer den
Unmut aus: Haben "beide Kammern die Linie Bernstadt
-Herrnhut -Nikrisch mit Wohlwollen behandelt, läßt
allerdings der Vermutung Raum, daß die Regierung diesem
Projekt nicht ganz freundlich gegenübersteht." Auf
Einwände wegen zu hoher Kosten reagierte der
Abgeordnete: "Die Zunahme des Volkswohlstandes und
der Steuerkraft wird nicht bei der Bahnrente berechnet."
Übrigens handelt es sich dabei um eine Erkenntnis,
die noch heute gilt!
Bei den
Stationsbezeichnungen dürfte sich der Abgeordnete geirrt
haben, denn die genannte Reihenfolge ist falsch, sie
müsste Nikrisch -Bernstadt-Herrnhut lauten.
Aufschlussreich erscheint jedoch, dass nicht nur von
Bernstadt gesprochen wurde, sondern von einer
Querverbindung zu der bestehenden Eisenbahnstrecke
Görlitz-Zittau [siehe Görlitz-Hirschfelde-Zittau in
diesem Sammelwerk] und Löbau -Zittau. Nikrisch heißt
heute Hagenwerder. Jedenfalls ging, nachdem die
Regierung ihre Bedenken gegen die Eisenbahnlinie nach
Bernstadt aufgegeben und eine Lösung gefunden hatte,
alles recht schnell. Sie sah die Anbindung in Herrnhut,
einer Station der 1848 eröffneten Normalspurbahn Löbau
(Sachs) - Oberoderwitz (- Zittau) [siehe in diesem
Sammelwerk] vor, damit wurden Orte mit Fabrikanlagen
berührt und die Strecke kürzer. Schmalspur wurde
geplant, weil so die Baukosten niedriger ausfallen
würden oder, wie Ledig/Ulbricht schrieben, da "
...die minder kostspielige Linie von Herrnhut nach
Bernstadt vollständig im Stande sein werde, das hier
vorhandene wenig umfängliche Verkehrsbedürfnis zu
befriedigen, entschied man sich für die schmalspurige
Bahn, welche nach den örtlichen Verhältnissen nicht von
Löbau, sondern von Herrnhut auszugehen hatte."
Mit dieser
Stichbahn wollten sich Bernstädter Interessenten nicht
zufrieden geben. Sie sandten im Dezember 1891 an das
Dresdner Ministerium für Finanzen eine Petition zur
Weiterführung der Schmalspurbahn von Bernstadt über
Schönau, Kiesdorf, Dittersbach, Burkersdorf, Schlegel,
Hirschfelde und Türchau nach Reichenau. Durch diese
Verbindung sollte der Kohletransport aus dem
Hirschfelder Kohlerevier erleichtert werden.
Umgehend
angestellte Verkehrserhebungen des Finanzministerium
fielen unbefriedigend aus, sodass dieser Vorschlag
abgelehnt wurde.
Genehmigt, gebaut und eröffnet
Die
sächsische Verordnung zum Bau und Betrieb der
Schmalspurbahn datiert vom 30. August 1892. Der
Streckenbau begann im September 1892. An Kunstbauten
waren drei Brücken zu errichten, die größte in
Cunnersdorf. Verlegt wurden für die 10,10 Kilometer
lange Strecke insgesamt 12.636 Meter Gleis und 33
Weichen.
Die
Betriebsstellen gestaltete manrecht einfach und
rüstete sie mit nachstehenden Hochbauten aus:
Niederstrahwalde - eine
Wartehalle;
Berthelsdorf - eine
Wartehalle mit Gepäckraum und ein Freiabtritt nebst
Geräteraum sowie ein Wagenkasten als Güterschuppen;
Oberrennersdorf - eine
Wartehalle mit Gepäckraum und ein Freiabtritt miit
Geräteraum sowie einen Wagenkasten als Güterschuppen;
Niederrennersdorf - eine
Wartehalle undein Freiabtritt mit Geräteraum;
Cunnersdorf - eine
Wartehalle mit Gepäckraum und ein Freiabtritt mit
Geräteraum sowie ein Wagenkasten als Güterschuppen;
Bemstadt
- ein
Stationsgebäude, einen Güterschuppen, ein
Wirtschaftsgebäude, ein zweiständiges Maschinenhaus mit
angebauter Wasserstation und einen
Kohlenschuppen.
Der Bahnhof
Bernstadt bestand aus sieben Gleisen mit 14 Weichen,
1909 kamen noch zwei Weichen und eine Kreuzung hinzu.
1922 ergänzte ein Bernstädter Handwerker das dortige
Empfangsgebäude im Auftrage der Staatsbahn mit einem
kleinen Vorbau.
Bekanntmachung vom 28. November 1893 im
Sächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt. Drei Tage später wurde
die "schmalspurige Nebeneisenbahn" für den öffentlichen Reise-
und Güterverkehr eröffnet
Auf dem
Bahnhof Herrnhut mussten lediglich der Güterschuppen
vergrößert, ein Ladeplatz eingerichtet und der
Bahnsteig gebaut werden. Nur für die Schmalspur
erhielt der Bahnhof den Bahnsteig, ein
Maschinenhaus, einen Kohlenschuppen, ein
Wasserstationsgebäude, eine Gleisbrückenwaage, die
Umladehalle mit Rampe und außerdem die Überladerampe
für die Betriebsmittel. Das Gleisbild war zu
verändern mit 940 Meter Gleis, drei einfachen und
zwei Kreuzungsweichen in Normalspur und 1.170 Meter
Schmalspurgleis und sieben schmalspurigen Weichen.
Wagenladungen sollten sämtlich umgeladen werden, an
einen Rollfahrzeugbetrieb war nicht gedacht. Das
Gütergeschäft auf den Unterwegsbahnhöfen besorgten
gegen ein geringes Salär Güteragenten, die sonst
anderen Tätigkeiten nachgingen.
Am 30.
November 1893 wurde die Strecke mit einem Sonderzug,
den die zwei stationierten Lokomotiven zogen,
feierlich eröffnet. In Bernstadt begrüßte der
Bürgermeister sowohl die Herren der General- und
Betriebsdirektion als auch jene vom
Finanzministerium und der Behörden und dankte der
Regierung für die Bahn, schloss in den Dank die
Bauarbeiter mit ein. In Bernstadt feierte man
allerorten. Die kostenfreie Rückfahrt nach Herrnhut
wurde von den Einheimischen weitgehend genutzt.
Nach
dem Eröffnungstag ging die Strecke am 1. Dezember
1893 offiziell in Betrieb. Außer den Lokomotiven
standen fünf Personenwagen, davon ein vierachsiger,
sechs gedeckte (dazu gehörten damals auch die für
Fahrkartenverkauf und Gepäckbeförderung vorgesehenen
Zugführerwagen) und14 offene Güterwagen bereit. Die
Baukosten für die Bahnanlage ein- schließlich
Verwaltungsaufwand und Verzinsung während der
Bauarbeiten betrugen knapp 788.000 Mark, dabei
belegte der Oberbau mit 251.000 Mark die höchste
Position. Zum Vergleich: eine Lokomotive der Gattung
I K kostete seinerzeit zwischen 15.000 und 20.000
Mark.
Mäßiges Verkehrsaufkommen
Im
Jahre 1894 beförderte diese Schmalspurbahn 46.328
Personen (im Durchschnitt 127 pro Tag). An Frachten
fielen hauptsächlich Braunkohlen, Baumwolle,
Getreide, Twiste, Zuckerrüben, Baumwoll- und
Papierabfalle an. In Bernstadt hatte sich die
Tuchmacherei angesiedelt. Zwei Betriebe produzierten
bis zur Währungsunion 1990 Grobgarne, Grobtextilien
und technische Gewebe. Die ansässige Textilindustrie
wusste die Bahn von Anfang an zu nutzen, es gab
jedoch nur einen Gleisanschluss. Er zweigte im
Kilometer 3,1 zur Mechanischen Weberei Paul ab und
wurde mit einem Übergabezug von Herrnhut aus
bedient. Dieser dampfte vom Anschlussgleis aus
weiter bis Berthelsdorf (b Herrnhut) und kam von
dort nach Herrnhut zurück. Unternehmer richteten
zwei Güterschuppen am Bahnhof Bernstadt in Nähe der
Ladestraße ein. Im Jahre 1894 wurden dort 5.627
Tonnen Güter empfangen und 2.159 Tonnen aufgegeben.
Der große Unter- schied hängt sicherlich mit dem
Kohlenbezug zusammen. Scheinbar Banales hatte die
Generaldirektion bald nach der
Streckeninbetriebnahme zu regeln. Hauptsächlich
Düngemittel wurden fehlgeleitet, kamen nicht im
sächsischen Bernstadt, sondern im schlesischen an,
wo es einen Bahnhof gleichen Namens gab. Der
Bahnverwalter schlug der Generaldirektion die
Bezeichnung "Bernstadt (Sachs)" oder "Bernstadt bei
Herrnhut" vor. Am 15. Mai 1894 beschied die
Betriebs-Oberinspektion in Dresden, dass gegen die
Bezeichnung "Bernstadt (Oberlausitz)" keine Bedenken
bestehen. Die Tarifunterlagen enthielten jedoch
zunächst den Zusatz "i. Oberlausitz".
Die
Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen ermittelten
im Sommer 1902 in einem Voranschlag die Kosten für
den Bau einer Rollbockgrube auf dem Bahnhof
Herrnhut. Sie beliefen sich auf 5.200 Mark, ohne
jedoch die Folgeinvestitionen für die Verstärkung
des Oberbaus und den Einsatz leistungsfähigerer
Lokomotiven zu berücksichtigen. Angesichts des
geringen Wagenladungsaufkommens -1901 wurden auf der
Strecke Herrnhut - Bernstadt nur 11.400 Tonnen Güter
abgefertigt -nahm man von dem Bau dieser Anlage
Abstand. Und so wurden die schmalspurigen Güterwagen
weiterhin überwiegend in die Güterzüge mit
Personenbeförderung (Gmp) eingestellt, für die der
Buchfahrplan die Zuglast auf 150 Tonnen bei
Talfahrt, bei der Bergfahrt von Rennersdorf nach
Herrnhut auf 75 Tonnen beschränkte. Gelegentlich
rollten auch reine Nahgüterzüge mit kurzen Halten
auf den Unterwegsstationen Stets verkehrten auf der
Gesamtstrecke täg- lich drei Zugpaare, von denen
werktags zwei als Gmp ausgewiesen waren. Hinzu kam
zwischen etwa 1925 und 1940 sonn- und feiertags ein
weiteres Personenzugpaar.
Stammlokomotive 99 555 vor einem
gemischten Zug um 1935. In der Mitte des
Wasserkastens, auf der Abdeck- platte für das
Kesselspeiseventil, ist das Fabrikschild der 1908 in
Chemnitz gebauten Maschine befestigt
Den Betrieb
einer Schmalspurbahn leitete ein Bahnverwalter. So auch
im Fall Herrnhut - Bernstadt. Er hatte zuerst seinen
Sitz im Bahnhofsgebäude von Bernstadt, wechselte jedoch
1905 nach Herrnhut. 1911 ist die Stelle abgeschafft und
deren Aufgabe dem Bahnhof Herrnhut übertragen worden.
Bernstadt war Heimatbahnhof für das Zug- und
Lokomotivpersonal. Es wird im Dienst recht beschaulich
zugegangen sein. Erst 1938 wurde der Bahnhof Bernstadt
(Oberlausitz) wieder selbstständige Dienststelle. Das
Verkehrsaufkommen hielt sich in Grenzen und mehr als
50.000 Fahrgäste und 25.000 Tonnen Fracht pro Jahr
wurden auf der Stichbahn nur selten erreicht. Mag die
Bedeutung der Strecke Herrnhut - Bernstadt im Vergleich
zu anderen sächsischen Strecken nicht groß gewesen sein,
bescherte sie der Generaldirektion nur wenig Aufwand,
denn es kam, nicht wie bei manch anderer
Schmalspurlinie, nur zu wenigen Veränderungen.
Die Damen interessieren
sich mehr für den Fotografen als für den
Zug, der am 15. September 1935 mit einer
Lokomotive der Baureihe 995166 Richtung
Herrnhut fährt
Ein Personenzug auf der
Fahrt nach Herrnhut am 1. September 1935
in Rennersdorf, einem beschaulichen
Straßendorf. leider ist die
Betriebsnummer der IV K-Lokomotive nicht
zu erkennen
Nur wenig verändert
Schon vier Jahre nach Inbetriebnahme der
Schmalspurbahn waren Ausbesserungsarbeiten wegen
Unwetterschäden notwendig. Darüber wurde im
"Statistischen Bericht über die den Betrieb der
unter Königlich Sächsischer Staatverwaltung
stehenden Staats- und Privatbahnen", erschienen
1898, festgehalten: ,Jnfolge Hochwassers im
Tale der Pließnitz- und des Petersbaches war an
verschiedenen Stellen der Linie Herrnhut
-Bernstadt die Herstellung von neuen Ufermauern
sowie Ufer- und Böschungsbefestigungen
erforderlich. Der Verkehr war nur am 30. Juli
(1897, Anm.) unterbrochen." Knapp 30
Jahre später folgten nachträgliche Anbauten am
Lokomotiv- schuppen in Bernstadt. 1923 wurde im
Bahnhof Herrnhut die Weiche 15 deshalb
verschoben, weil damit das Umladegleis
verlängert werden konnte. Die anfangs gebaute
Anlage war zu klein bemessen. Auch für die in
Herrnhut geführten Kassengeschäfte, die die
Schmalspurstrecke betrafen, musste 1923 ein
Kassenverwalter beschäftigt werden. Zuvor war
das eine der Aufgabe des Bahnhofsvorstehers. Der
Bahnhof Bernstadt (Oberlausitz) wurde stoßweise
beansprucht, in Herrnhut fehlte es an
Umladepersonal, das wurde in einem Schreiben an
die Generaldirektion 1925 beklagt und nochmals
der Einsatz von Rollböcken vorgeschlagen. Deren
Einführung unterblieb vermutlich wegen zu hoher
Kosten. Bereits 1924 schloss die Reichsbahn den
Haltepunkt Niederstrahwalde, da er kaum genutzt
worden war.
Vom
Zweiten Weltkrieg blieb das Gebiet weitgehend
verschont, wenn man vom allgemeinen Kriegsleid,
das die Bevölkerung betraf, absieht. 1945
vernichtete in Herrnhut ein Großfeuer
historische Gebäude. Nach Kriegsende ließen sich
hier gut Betteltouren für Kartoffeln, Mehl oder
anderes unter- nehmen, und da konnte die seit
Ende Mai 1945 mit drei Zugpaaren wieder
verkehrende Schmalspurbahn nur nützlich sein.
Kurzfristig stillgelegt und demontiert
Die
Bevölkerung traf es sehr, als die sowjetische
Besatzungsmacht den Abbau der Schmalspurbahn
Herrnhut - Bernstadt (Oberlausitz) als
Reparationsgut befahl. Nach den Aufzeichnungen
des Bahnhofsvorstehers in Bernstadt wurde die
Strecke bis Kunnersdorf a. d. Eigen vom I. bis
16. Oktober 1945 abgebrochen. In erhalten
gebliebenen Bahnfernschreiben und Telegrammen
der Reichsbahndirektion Dresden an die
Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahn in
Berlin wird jedoch über den Demonntagebeginn am
22. September 1945 berichtet. Wie dem auch sei:
Proteste der Bevölkerung nützten nichts. Vom 11.
November bis 15. Dezember 1945 ging der Abbau
weiter. Abtransportiert wurden Weichen,
Schienen, Kleineisen- teile und die Lokomotive
99 558. Schwellen gehörten nicht zum
Reparationsgut. Ebenso blieben die Hochbauten
stehen, manche sind heute noch zu sehen,
beispielsweise die Wartehäuschen von
Niederstrahwalde und Oberrennersdorf und das
Empfangsgebäude aus Backstein vom Bahnhof
Bernstadt (Oberlausitz). Mitunter blieben ein
Stück vom Bahndamm und ein Brückenwiderlager als
Zeugen der Vergangenheit erhalten.
Ironie der Geschichte: In einer Schreiben vom 6.
November 1945 genehmigte die Hauptverwaltung der
Deutschen Reichsbahn in Berlin der
Reichsbahndirektion Dresden den Wiederaufbau
dieser Strecke und der Verbindung Taubenheim -
Dürrhennersdorf, allerdings nicht mit den im
Abbau befindlichen Oberbaustoffen, sondern
"unter Nutzung von Reserve- material", das in
jener Zeit nicht zu beschaffen war bzw. de facto
gar nicht existierte. Bleibt noch zu erwähnen,
dass in der "Nur für den Dienstgebrauch (Nm)"
erschienenen "Übersichtskarte des
Reichsbahndirektionsbezirks Dresden" vom August
1967(!) die Stichbahn Herrnhut - Bernstadt
(Oberlausitz) noch eingezeichnet ist, allerdings
mit dem Zusatz "Bahnkörper ohne Gleis" -und dies
zu einem Zeitpunkt, als in der DDR das großen
"Schmalspurbahn-Sterben" längst begonnen hatte!
Der Winterfahrplan
1937/38 im Kursbuch der Deutschen
Reichsbahn. Die Personenzüge führen
die 2. und 3. Wagenklasse und in
Herrn- hut bestanden immer
Anschlüsse nach Löbau (Sachs) und
Zittau
Der Fahrzeugpark
Wie bei anderen sächsischen
Schmalspurbahnen fuhren anfangs
Lokomotiven der Gattung I K die
Züge, als Stammlokomotive die Nr. 15
(1893 -1896) und als
Reservelokomotive die Nr. 22 (1893
-1900). Beide zogen den
Eröffnungszug. Kurzzeitig kamen nach
Bernstadt die Maschinen Nr. 17 (1900
-1926 im Wechsel mit den Zittauer
Strecken und mit der Taubenheimer)
und 21 (um 1900). Die Lokomotive 23
war in den ersten Jahren sowie von
1921 bis 1924, die mit der Nr. 14
von 1896 bis 1925 in Bernstadt
(Oberlausitz) stationiert. Als die
DR-Baureihe 9gs1.'" (ex sä. Gattung
IV K) die I K-Lokomotiven ersetzte,
mussten auf den betreffenden
Schmalspurbahnen der Oberbau
verstärkt und die Lokomotivschuppen
verlängert werden. Das geschah auch
in Bernstadt (Oberlausitz). Das
dortige Heizhaus entsprach dem in
Taubenheim [siehe Taubenheim -
Dürrhennersdorf diesem Samme/werk].
Meist waren im abwechselnd den
Bahnbetriebswerken Löbau und Zittau
unterstellten Lokbahnhof Bernstadt
zwei Lokomotiven stationiert,
wobei eine Maschine die täglichen
Leistungen übernahm und die andere
als Reserve diente. Letztere zog die
Reichsbahndirektion Dresden während
des Zweiten Weltkriegs ab. Wurde nun
die einzige betriebsfähige Maschine
schadhaft, fuhr man unverzüglich
eine unter Dampf stehen- de Lok vom
Bw Zittau auf einem normalspurigen
Transportwagen nach Herrnhut, sodass
kaum Züge auszufallen brauchten.Auf
der Strecke Herrnhut - Bernstadt
(Oberlausitz) traf 1926 zuerst die
Lokomotive 99 555 als Stammmaschine
ein. Aushilfe leisteten die
Lokomotiven 99 525, 99 531, 99 546,
99 554, 99 558 und 99 595. Zuletzt
stand die Lokomotive 99 525 im
Reichsbal1nausbesserungswerk
Chemnitz und blieb dadurch von der
Reparationsabgabe verschont. Der
sowjetischen Besatzungsmacht fiel
hier nur die Lokomotive 99 558 in
die Hände.1m
Jahre 1935 hielt der
Reichsbahndirektion Dresden auf der
Strecke Herrnhut - Bernstadt
(Oberlausitz) fünf Personen-, zwei
Gepäck-, 59 Güterwagen der Gattungen
GGw, Ow, OOw, 00, Hw, HHund
KKw vor. Zwischen 1941 und 1944
mussten aus dem diesen Bestand sechs
GGw und fünf OOw für den Osteinsatz
abgegeben werden. Die Züge fuhren
immer mit der Heberleinbremse, die
Personenwagen zuletzt mit
Gasbeleuchtung.
Ausgangspunkt Herrnhut
Die
abwechslungsreiche Landschaft
mit Tälern und niedrigen
Bergkuppen aus Granit und Basalt
(Knorr- berg 381 Meter über NN),
stark von der Landwirtschaft
geprägt. Vereinzelt existierten
in Dörfern und der Kleinstadt
Bernstadt Fabriken der
Textilindustrie, so dass die
Schmalspurbahn auch dem
Berufsverkehr diente. Bereits in
den 1920er Jahren nahm privater
Autobusverkehr der Eisenbahn
einen Teil des Personenverkehrs
ab, deshalb genügten meist zwei
Personenwagen im Zug, zumal
Bernstadt es nicht verstand, den
Ausflugsverkehr an sich zu
ziehen. Schließlich dominierte
stets der Güterverkehr.
Blick auf den
Normalspurbahnhof Herrnhut vor
dem Ersten Weltkrieg. Hinter dem
Empfangsgebäude begannen die
Gleise 1 und 2 der
Schmalspurbahn nach Bernstadt
(Oberlausitz)
Herrnhut
ist eine Gründung im 18.
Jahrhundert, als Graf von
Zinzendorf böhmische Exulanten
hier ansiedeln ließ. Sie
gehörten religiös zu Augsburg,
bildeten aber bald eine
eigenständige
Religionsgemeinschaft, die
Herrnhuter Brüdergemeinde. Sie
wurde in aller Welt
missionarisch tätig. Das
Völkerkundemuseum in Herrnhut
stellt die Mitbringsel aus, die
die Missionare nach Hause zu
ihrer Brüderunität mitbrachten.
Diese hat noch heute ihre große
Bedeutung, indem beispielsweise
jährlich die Losungen hier
gezogen werden. Das 1929 zur
Stadt erhobene Herrnhut ist zwar
weltweit bekannt, für die
Eisenbahn aber kein Grund, über
Herrnhut Zugverkehr bestehen zu
lassen.
Auf
dem Bahnhofsvorplatz des seit
1998 stillgelegten Bahnhofs
Herrnhut begann die
Schmalspurbahn [Lageplan des
Bahnhofs Herrnhut siehe auf
Seite 6 der
Streckenbeschreibung Löbau
(Sachs) -Oberoderwitz].
Er liegt
nicht auf Herrnhuter Flur,
sondern bereits auf der von
Berthelsdorf. In
Ausfahrrichtung am Ende der zwei
Bahnsteiggleise stand ein
einständiger Lokomotivschuppen.
Das war üblich, wenn die
Lokomotiven am Ende der Strecke
stationiert wurden [siehe
Cranzahl- Kurort Oberwiesenthai
in diesem Sammelwerk], so
konnte die Lokomotive für die
Frühzüge untergestellt werden.
Zunächst verlief das
Schmalspurgleis neben dem der
Normalspur in Löbauer Richtung,
schwenkte danach nach rechts in
östlicher Richtung ab, wo ein
unbeschrankter Bahnübergang über
die Straße Löbau - Zittau
folgte. Hier befand sich mit
346,64 Meter über NN der höchste
Punkt der Bahn (Bahnhof
Herrnhut: 344,94 Meter über NN).
Danach lag das Streckengleis
fast immer im Gefalle, abgesehen
von der Waagerechten in den
Bereichen der Betriebsstellen.
Die Strecke berührte das Dorf
Strahwalde mit einem Damm und
erreichte den Haltepunkt
Niederstrahwalde, dessen
Bedeutung so gering war, dass er
1924 aufgegeben wurde. Mit einer
Krümmung näherte sich die
Strecke Berthelsdorf an, befand
sich also wieder in der Gemeinde
des Ausgangsbahnhofs. Ein
niedriger Einschnitt führte zu
Rohlands Teich. In Berthelsdorf
zweigte der einzige
Streckenanschluss (Mechanische
Weberei) ab. Oberhalb des Ortes
und unterhalb des Schlosses lag
das Gelände des kleinen
Bahnhofs.
Wie
bei allen
Unterwegsstationen
blieb es auch in
Berthelsdorf (b
Herrnhut) bei der
einfachen Anlage: Am
Bahnsteig das
durchgehende
Hauptgleis und links
das Ladegleis, an
dem der Wagenkasten
für das Stückgut
stand. Anfang der 1
930er Jahre wartet
die Lokomotive 99
555 mit ihrem
gemischten Zug auf
die Weiterfahrt nach
Herrnhut
Mit einem Bogen in südöstlicher
Richtung wurde Rennersdorf
erreicht. Die Strecke verlief
nun dicht an der Ortsstraße
entlang und überquerte sie und
den Petersbach. Der lang
gestreckte Ort besaß zwei
Betriebsstellen, zuerst fuhren
die Züge in den Bahnhof
Rennersdorf (Oberlausitz) ein,
und danach neben der Straße und
über eine Wiesenfläche. Der
Haltepunkt Rennersdorf
(Oberlausitz) lag am Ortsende.
Erneut querte die Strecke
Wiesenflächen mit Links- und
Rechtsbögen, folgte dem
Pließnitzbach und kreuzte die
Straße. Am Ortseingang von
Kunnersdorf (a. d. Eigen) wurde
die gleichnamige Haltestelle
erreicht mit einem Ladegleis,
das nur einseitig, mit einer
Weiche vom Streckengleis
abzweigte. Die Bahn berührte mit
dieser Station und Bernstadt
(Oberlausitz) den so genannten
Eigenschen Kreis. Der bis heute
noch verwendete Zusatz "a. d.
Eigen" verweist darauf, dass
Kunnersdorf und Bernstadt und
die umliegenden Orte "auf dem
Eigen" lagen.
Blick
auf das Gelände der Haltestelle
Kunnersdorf a. d. Eigen um 1930.
Außer dem Streckengleis
existierten hier ein an das
durch- gehende Hauptgleis
angebundenes Ladegleis und ein
Stumpfgleis. Ein vierachsiger
gedeckter Güterwagen wurde zum
Frachtumschlag bereit gestellt.
Dahinter sind der Freiabtritt
(Toilette) und rechts, vom Haus
teilweise verdeckt, die
Wartehalle zu sehen
Das Gebiet um Bernstadt war
Eigentum des Bistums Meißen,
wurde Mitte des 13. Jahrhunderts
an die Herren von
Schönburg-Glauchau veräußert,
und die verkauften die Güter
nach und nach an das Kloster St.
Marienstern. Um die bisherige
Steuerbefreiung der Bürger
gegenüber dem Landesherrn
beizubehalten, hoben die
Verkäufer in den Urkunden
hervor, dass das Land "ihr
Eigen" gewesen sei. Die
Redewendung blieb bis heute
erhalten.
An einem Hang oberhalb des Orts
und der Pließnitz erreichten die
Schmalspurzüge den schönsten
Abschnitt der Strecke, das
größte Brückenbauwerk der Bahn
mit zwei Stützpfeilern wurde
befahren, dann war bereits
Bernstadt (Oberlausitz)
erreicht. Hinter der Straße von
Großhennersdorf lag die
Endstation (234,49 Meter über
NN).
Das aus
Backsteinen errichtete
Empfangsgebäude des
Bahnhofs Bernstadt in
voller Schönheit. Eine
Lokomotive der Gattung I
K wartet mit ihrem
gemischten Zug um 1910
auf die Abfahrt Richtung
Herrnhut
Bernstadt a. d. Eigen galt als
Industrie-Agrar-Kleinstadt. Die
Landwirtschaft blieb nach 1990 durch
Wiedereinrichter erhalten. Aus der
Baumwollspinnerei wurde ein Zulieferbetrieb
für eine bekannte Sandalenfirma. Das Dorf
Kunnersdorf a. d. E. ist jetzt Ortsteil von
Bernstadt. Als Kuriosität gilt die Weltachse
in Bernstadt. Angeblich ist sie der
Mittelpunkt der Erdrotation, in Wirklichkeit
das Ergebnis eines Studentenulks. In den
1930er Jahren bezeichneten die Studenten
betrunken auf dem Markt einen
Kandelabermasten als Erdachse. Das sprach
sich herum und so entstand ein Denkmal für
die Erdachse auf dem Bernstädter Markt.
Die Baulänge der Strecke belief sich auf
10,23 Kilometer. Davon lagen 6,24 Kilometer
in gerader Linie und 3,99 Kilometer in der
Krümmung (39 Prozent),6,81 Kilometer im
Gefälle (66,57 Prozent) und 0,50 Kilometer
in der Steigung (4,89 Prozent). Der kleinste
Krümmungshalbmesser betrug 100 Meter, die
stärkste Neigung auf nur 500 Meter 1 :40.
Vor dem Ersten
Weltkrieg ist dieses Foto in
Bernstadt entstanden. Vor der I
K- Lokomotive mit dem
abfahrbereiten Zug Richtung
Herrnhut haben sich Eisenbahner
mit ihren Familien aufgestellt
Auf dem Plan vom
Bahnhof
Bernstadt
(Oberlausitz) im
Zustand von 1930
sind unter
anderem die Lage
des
Empfangsgebäudes
(A), des Wirt-
schaftsgebäudes
(B), des
Güterschuppens
(C), des
Lokomotivschuppens
(0) sowie des
Privatschuppens
am Gleis 7 zu
erkennen
Im Jahre 1922 erhielt das Empfangsgebäude in Bernstadt (Oberlausitz) den im Vordergrund zu sehen- den Holzanbau. Im Hintergrund steht der Lokomotivschuppen, davor warten auf dem Abstellgleis Reisezug- und Güterwagen auf den nächsten Einsatz. Die vor dem Zug stehende Lokomotive der ehemals sächsischen Gattung I K wird auf der Strecke nicht mehr lange fahren
Vor dem Maschinenhaus in Bernstadt (Oberlausitz) steht links die Lokomotive 14, die auf der Strecke nach Herrnhut von 1896 bis 1924 fuhr. Daneben befindet sich die "leicht rauchende" Lokomotive 15
Weiter sei gesagt,
daß sich auch die Literatur unserer Kleinbahn angenommen hat, und in
einigen Büchern weiteres Informationsmaterial zu finden ist. Besonders
empfehle ich hier:
Schmalspur-Album Sachsen Band III
K.Sächs.Sts.E.B. 1881-1920
( ISBN 3-89610-117-X )
Frühere
sächsische Schmalspurbahnen nördlich der Elbe
Matthias Hengst (
ISBN 3-922138-56-X )
und noch aus
DDR Zeit Schmalspurbahnen der
Oberlausitz Reiner Preuß/Erich Preuß
Alle Besucher dieser
Seite, welche sich besonders für die historischen Filmaufnahmen
interessieren, möchte ich an den den
Museumsverein des Heimatmuseums Bernstadt und des Eigenschen Kreises
verweisen. Der Film "Warum in die Ferne schweifen, seht das Gute liegt
so nah..." aus dem Jahre 1928 von Gottfried Schüller (Kunnersdorf), aus
welchem die Ausschnitte stammen, ist im Besitz des Vereins und wird auch
ab einer gewissen Zahl von Interessenten vorgeführt. Es handelt sich bei
diesem Film um eine Reise vom Kottmar bis zur Neiße, entlang der
Pließnitz.
Ich hoffe, mit
diesen Informationen weiter geholfen zu haben....